In diesem Beitrag aus den WatchTime-Archiven testen wir das Original Lange Zeitwerk, die mechanische Digitaluhr von A. Lange & Söhne, die ein bahnbrechendes Designkonzept mit klassischen Lange-Merkmalen verbindet. Fotos zur Verfügung gestellt von Lange und von Marcus Krüger von WatchTime.
Wenn die neue Lange Zeitwerk in den Schaufenstern der Juweliere auftaucht, werden die Emotionen bei den Fans von A. Lange & Söhne hochgehen. Die einen werden das ausgefallene Designkonzept lieben, die anderen werden es als zu weit weg von den “klassischen” Merkmalen abtun, die sie erwarten. Viele werden sie mit der Lange 1 vergleichen, einer Uhr, die dank ihrer unkonventionellen, versetzten Anzeige zum bekanntesten und erfolgreichsten Modell des deutschen Herstellers wurde. Ähnlich bekannt ist das Zeitwerk, das mit seinem neuen Designkonzept den Stil der Lange-Modelle in Zukunft beeinflussen könnte. Die Uhr macht eine markante Figur. Ihr auffälligstes Merkmal ist die geflügelte neusilberne Zeitbrücke, die sich über das Zifferblatt erstreckt und die digitale Stunden- und Minutenanzeige sowie die kleine Sekunde einrahmt und so alle Elemente miteinander verbindet. Neben ihrem ästhetischen Reiz ist diese Brücke auch ein funktioneller Teil des Uhrwerks: Sie hält die Achse für die beiden Minutenscheiben mit einem ungewöhnlichen farblosen Stein und ist durch eine Schraube sichtbar auf der Grundplatte befestigt. In Verbindung mit den beiden Digitalanzeigen ergibt sich ein harmonisch ausgewogenes Bild. Das Zeitwerk ist mit den Anzeigen “auf” und “ab” auf der Ganganzeige und der einzigartigen Form der Zeiger sofort als Lange-Produkt zu erkennen. Die Form des Gehäuses ist typisch für Lange, und auch die Digitalanzeigen haben ein vertrautes Aussehen: Sie verwenden dieselbe Art von Ziffern wie die großen Datumsanzeigen auf vielen anderen rolex uhren. Auf den sonst üblichen Balken zwischen der ersten und zweiten Ziffer der Anzeige (dargestellt mit zwei Scheiben) hat Lange verzichtet, was ästhetisch sehr ansprechend ist.
Historisch gesehen geht dem Zeitwerk die Dresdner Fünf-Minuten-Uhr der Semperoper voraus, die 1841 von J.C. Friedrich Gutkaes (dem Lehrer und späteren Schwiegervater von Ferdinand A. Lange) gebaut wurde. Bei dieser Uhr erscheinen die Stunden als römische Ziffern im ersten Fenster, während das zweite Fenster, das die Minuten anzeigt, nur alle fünf Minuten weiterrückt (d. h. auf die Ziffern 00 folgt 05, dann 10 usw.). Die Minutenanzeige des Zeitwerks ist viel präziser und wechselt jede Minute. Diese “springende” Minutenanzeige war für andere Uhrenfirmen, die sich daran versucht haben, eine große Herausforderung. Harry Winston zum Beispiel konnte seine Opus 3 erst sechs Jahre nach ihrer Einführung zum Laufen bringen, und die Porsche Design Indicator mit digitaler Anzeige der Chronographenstunden und -minuten musste nach ihrem Debüt neu konzipiert werden. Das Problem ist die enorme Kraft, die erforderlich ist, um die Scheiben zu bewegen. Während sich die Datumsscheibe nur einmal pro Tag bewegt, müssen die drei Scheiben für die Stundenanzeige und die beiden Ziffern für die Minuten insgesamt 1.608 Mal pro Tag bewegt werden. Die dafür erforderliche starke Feder ist der Grund für einen erheblichen Leistungsunterschied zwischen dem vollständig aufgezogenen und dem fast abgezogenen Zustand der Uhr. Tatsächlich wäre eine noch stärkere Feder erforderlich, um nur das relativ konstante Drehmoment im mittleren Bereich zu nutzen. Und während A. Lange & Söhne Erfahrung mit starken Federn hat, wie etwa in der Lange 31 mit ihrer einmonatigen Gangreserve, musste die Feder im Zeitwerk noch stärker sein als diese.
Lange hat ein innovatives Federhaus entwickelt und patentieren lassen, um die Abmessungen der Uhr relativ klein zu halten. Diese Konstruktion kehrt das herkömmliche Prinzip des Auf- und Abwickelns um. Zum Aufziehen des Werks wird das reibungsarme Lager des Federhauses verwendet, so dass sich das Federhausrad beim Aufziehen der Uhr in einem reibungsarmen Lager drehen kann und mehr Energie in der Zugfeder für den Antrieb des Räderwerks zur Verfügung steht. Da zu viel Kraft die mechanischen Komponenten beschädigen kann, dreht sich ein winziger Regler im Lange-Zeitwerk exakt 525.600 Mal pro Jahr. Die äußere Minutenscheibe bewegt sich um einen Schritt vorwärts, während ein Flügelrad sie abbremst. Dieses Bauteil, das die Form einer winzigen Drehtür hat, erzeugt einen Luftwiderstand, der die Bewegung verlangsamt, aber dennoch dafür sorgt, dass die Scheibe jede Minute auf den Bruchteil einer Sekunde genau weiterläuft. Lange nutzte den ausgeklügelten Mechanismus der konstanten Kraft, um das Problem der abnehmenden Ganggenauigkeit zu lösen, das durch den Energieaufwand für den Vorschub der Scheiben entsteht. Diese raffinierte, aber komplizierte Technologie wurde in der Lange 31 auf eine etwas andere Weise eingesetzt. Sie sorgt dafür, dass ein konstantes Drehmoment auf die Unruh übertragen wird, unabhängig vom Zustand der Aufzugsfeder. Neben der Feder für die Konstantkrafthemmung stellt Lange auch eigene Spiralfedern her, so dass sich die Zahl der Bauteile im Zeitwerk auf beeindruckende 388 erhöht.
Bei näherer Betrachtung der Konstantkrafthemmung wird deutlich, dass ihre Palette das gesamte Drehmoment des kräftigen Federhauses allein auffangen muss, weshalb der Palettenstein unbedingt sicher befestigt werden muss. Bei den firmeneigenen Testuhren (die auf das 12-fache der normalen Geschwindigkeit eingestellt waren, was einem 10-jährigen Betrieb entspricht, und gleichzeitig extremen Stoßtests unterzogen wurden) gab es keine Probleme. Unsere Testuhr enthielt jedoch eines der ersten Produktionswerke, das schon nach kurzer Zeit nicht mehr richtig weiterlief, weil sich ein Palettenstein verstellt hatte. Daraufhin ersetzte Lange bei allen fertigen Uhren den bis dahin verwendeten Schellack durch einen starken Klebstoff. Außerdem überarbeitete das Unternehmen das Säulenrad, um es stabiler und zuverlässiger zu machen. Nach dieser Reparatur lief unsere Testuhr während des gesamten dreiwöchigen Tests einwandfrei. Der Saphirglasboden bietet einen hervorragenden Blick auf das große Uhrwerk, das wirklich ein Kunstwerk ist: Jedes Teil weist handgefertigte Endbearbeitungen und brillante Goldgravuren auf; Details wie die verschraubten Goldchatons und die handgravierten Unruh- und Ankerbrücken strahlen höchste Handwerkskunst aus. Die Dreiviertelplatine für das Ankerrad ist mit einem Glashütter Streifenschliff verziert, die Hauptplatine mit Perlage und die sichtbaren Zahnräder mit einem Glashütter Sonnenschliff. Die Endplatte des Ankerrads ist hochglanzpoliert, die Schrauben sind poliert und teilweise gebläut. Die filigrane Brücke für die Konstantkrafthemmung glänzt mit einem Strichschliff und zwei verschraubten Goldchatons. Einige (aber nicht alle) Kanten der Hauptplatine sind abgeschrägt und poliert. Wie bei der Richard-Lange-Uhr verfügt die große Unruh über exzentrische Reguliergewichte anstelle von Regulierschrauben.
Das Uhrwerk wurde ebenso sorgfältig justiert wie dekoriert. Die Messungen auf der Zeitwaage ergaben einen minimalen Positionsfehler von nur vier Sekunden. Das Zeitwerk lief in allen Positionen leicht voraus, und die durchschnittliche Abweichung war mit nur +1,5 Sekunden pro Tag recht gering. Auch nachdem die Uhr drei Wochen lang unter realen Bedingungen getragen wurde, zeigte sie genau die gleichen Ergebnisse. Es dauert eine Weile, bis man sich an das Ablesen der Scheiben in den Fenstern gewöhnt hat; eine normale Digitalanzeige liest sich ganz anders. Die ungefähre Zeit lässt sich zwar auf einem normalen analogen Zifferblatt viel leichter ablesen, aber das Ablesen der genauen Zeit ist bei dieser Uhr dank der großen Ziffern in den Fenstern tatsächlich einfacher. Und wenn nur das rechte Drittel der Uhr unter dem Ärmel hervorschaut, kann man immer noch problemlos die Minuten ablesen – ein praktisches Merkmal, da die meisten von uns die Stunde kennen.
Das kaum hörbare Klicken, das beim Vorrücken der Minutenscheiben entsteht, klingt wie das Einrasten eines winzigen Schlosses und ist nur wenig lauter als das Ticken des Lange-Werks. Weniger erfreulich ist das von mechanischen Uhren bekannte Warngeräusch, das dadurch entsteht, dass die Minutenscheibe etwa sechs Sekunden vor dem Sprung leicht nach unten versetzt wird. Das Gehäuse mit seinem satinierten Mittelteil und den sich verjüngenden Bandanstößen ist das Bild zurückhaltender Eleganz. Der leicht erhöhte Gehäuseboden hat einen konkaven Rand, der die Uhr flacher erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist. Alle Oberflächen sind hervorragend poliert und veredelt.
Das handgenähte Krokodilband hat vollständig umgeschlagene Kanten und ein attraktives, großes Muster. Die markant geformte Dornschließe hätte auf der Innenseite etwas sorgfältiger poliert werden können, aber das clevere Design des Armbands sorgt dafür, dass die Schließe gut am inneren Handgelenk anliegt und sich das Band nur wenig durchbiegt. Glücklicherweise sind die recht scharfen Kanten der Schließe beim Tragen der Uhr nicht sehr auffällig. Trotz ihrer Größe (fast 42 mm) liegt die Zeitwerk angenehm am Handgelenk. Das Armband ist zwar anfangs recht steif, wird aber nach kurzer Tragezeit geschmeidiger, und die Krone liegt zwar sehr nahe am unteren Gehäuserand, berührt aber dank ihrer strategischen Position bei halb zwei Uhr nicht das Handgelenk. Der Preis der Zeitwerk (70.100 $) ist hoch, aber er lohnt sich. Ein vergleichbares Modell, die Lange 31, wurde 2007 mit einer Gangreserve von einem Monat und einer Hemmung mit konstanter Kraft eingeführt. Sie hat ähnliche Komplikationen und kostet wesentlich mehr. Wäre die Zeitwerk vor der Finanzkrise auf den Markt gekommen, wäre ihr Preis sicherlich viel höher gewesen, so dass sie für potenzielle Kunden ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis darstellen könnte.
PROS:
+ Geniales Design
+ Innovative Bewegungstechnik
+ Wert für den Preis
CONS:
– Sichtbarer Höhenunterschied zwischen erster und zweiter Minutenziffer
– Minutenscheibe bewegt sich leicht, bevor sie auf die nächste Minute springt
SPEZIALIEN
Hersteller: Lange Uhren GmbH, Altenberger Straße 15, 01768 Glashütte, Deutschland
Kennziffer: 140.029
Funktionen: Springende Stunden und Minuten (digital), kleine Sekunde, Gangreserveanzeige
Uhrwerk: L043.1, Handaufzug; 18.000 Halbschwingungen pro Stunde; 68 Steine; Incabloc-Stoßsicherung; Glucydur-Unruh; exzentrische Feinregulierung; Schwanenhals-Feinregulierung für den Schlag; hauseigene Spiralfeder; Konstantkrafthemmung mit hauseigener Feder, handgravierter Unruhbrücke und Ankerradbrücke; Durchmesser = 33,6 mm; Höhe = 9,3 mm; 36 Stunden Gangreserve
Gehäuse: Weißgold, Vorder- und Rückseite aus Saphirglas, Gehäuseboden mit sechs Schrauben, wasserdicht bis 30 Meter
Armband und Schließe: Handgenähtes Krokodilband mit Weißgold-Dornschließe
Gangresultate (Abweichung in Sekunden pro 24 Stunden):
Zifferblatt aufwärts +3
Zifferblatt abwärts +4
Krone oben 0
Krone unten +1
Krone links 0
Krone rechts +1
Größte Abweichung: 4
Durchschnittliche Abweichung: +1,5
Durchschnittliche Amplitude:
Horizontale Positionen 292°
Vertikale Lagen 255°
Abmessungen: Durchmesser = 41,9 mm, Höhe = 12,6 mm, Gewicht = 141 g
Variationen: Rose oder Gelbgold; Platin ($75.900)
Preis: $70.100
SCORES
Riemen und Schließe (10): Das schön gemusterte Krokodilarmband ist sorgfältig von Hand genäht, aber der attraktive und praktische Schnallenverschluss hätte sorgfältiger poliert werden können. 9
Bedienung (5): Die große Krone ist leicht zu ziehen. Die Unruh wird durch einen Hack-Mechanismus gestoppt, und die Minuten können entweder vorwärts oder rückwärts eingestellt werden. 4
Gehäuse (10): Das Gehäuse aus Weißgold ist mit äußerster Sorgfalt poliert. Der Gehäuseboden lässt die Uhr flacher erscheinen, als sie tatsächlich ist. 9
Design (15): Die Digitalanzeige weist ein bahnbrechendes Design auf, das wie bei der Lange 1 ein Trendsetter sein könnte, ohne völlig mit der Tradition zu brechen. 15
Ablesbarkeit (5): Die Uhrzeit lässt sich schnell und viel genauer ablesen als bei einer Uhr mit Zeigern, auch wenn die großen Ziffern bei Nacht dunkel bleiben. 4
Tragekomfort (10): Trotz eines Gehäusedurchmessers von fast 42 mm ist die Uhr dank der schrägen Bandanstöße und der Dornschließe angenehm zu tragen. 9
Uhrwerk (20): Die springende Zeitanzeige ist sehr wartungsintensiv, aber das neu entwickelte Federhaus und die Konstantkrafthemmung mit Rücker und Schwungmasse bieten eine hervorragende Lösung. Eine Augenweide ist das Werk auch dank der aufwändigen Oberflächenveredelung von Lange. 19
Gangresultate (10): Die hauseigenen Federn für die Unruh und die Konstantkrafthemmung machen sich mit geringen Lagefehlern und einer hervorragenden mittleren Gangabweichung bezahlt. 9
Gesamtwert (15): Der Preis der Uhr ist hoch, aber aufgrund der hohen Qualität und der technischen Innovationen angemessen. 13
GESAMT: 91 Punkte